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Rudolf Schottlaender
Der erste deutsche Proust-Übersetzer

An vielen Stellen findet Schottlaender bessere Lösungen als seine Nachfolger. So ist ein Wort wie "transvertébration“ für französische Ohren zwar ungewöhnlich, aber gerade noch verständlich. Der deutsche Leser jedoch wird sich unter einer "Transvertebration“ nicht viel vorstellen können. Daher setzt Schottlaender auf die "Rückgratdurchstoßung“, die immer noch ungewohnt genug wirkt. Schon hier läßt sich sein Bemühen um "wirkungsgetreues Übersetzen“, wie er es später selbst nannte, erkennen.

Man sollte nicht übersehen, daß seine Übersetzung ein respektables deutsches Buch geworden ist, das viele Leser für den französischen Autor begeistert hat, darunter Hermann Hesse, Thomas Mann und Alfred Kerr. Auch Max Beckmann und Robert Musil lernten Proust in Schottlaenders Übersetzung kennen. Hesses lobende Äußerung ("für meine Person bin ich dem Übersetzer Schottlaender sehr dankbar für seine Arbeit“) erschien am 29. April 1926 im "Berliner Tageblatt“. Von Thomas Mann, der gegen Curtius nicht öffentlich auftreten wollte, erhielt Schottlaender, wie er erzählte, noch im selben Jahr einen respektvollen vierseitigen Brief, der leider verlorengegangen ist.

"Die Übersetzung ist nicht voll gelungen“, meinte Schottlaender selbst sechzig Jahre später und veröffentlichte 1987 in "Proustiania 4“ unter dem Titel "Kindeszärtlichkeit im Aufruhr gegen Erziehungsgrundsätze“ eine kommentierte Neuübersetzung einiger Passagen. In seiner Autobiographie sagt er: "Viele, darunter ernste Einzelfehler müssen den ärgern, der den Urtext gut kennt; sie aber für mißlungen halten kann man nur, wenn man den Wald vor Bäumen nicht mehr sieht.“

In der von Willy Haas herausgegebenen "Literarischen Welt“ tobte gleich auf mehreren Seiten der Verreißwolf. Zu Recht nannte Schottlaender die von der, wie er sagte, "Literatenmeute“ organisierte und koordinierte Kritik einen "Rufmord“. Es war eine böse Ironie, daß sich ein Mann dabei hervortat, den Schottlaender für die Revision vorgeschlagen hatte: Der bei all seiner wissenschaftlichen Bedeutung überaus eitle Ernst Robert Curtius reagierte mit emotionalen Ausfällen. Der zweite Rezensent war der Germanist Friedrich Burschell; Schottlaender erinnerte sich dankbar, daß er immerhin die höhere Qualität der Châteaubriant-Übersetzung erwähnte. Die heftigsten Angriffe jedoch kamen von Hans Jacob, dessen negative Meinung über Schottlaender bekannt war und den Willy Haas, wie der junge Übersetzer argwöhnte, vielleicht gerade darum mit einer Besprechung beauftragt hatte. Ein anderer Verdacht tut sich heute auf: Haas war Mitarbeiter der "Schmiede“; es ist also möglich, daß er das vom Verlag verursachte Fiasko dem Übersetzer aufbürden wollte.

Alfred Kerr schrieb an den Verlag: "Es war ein seltener Genuß, dieser Proust, also hat Schottlaender seine Sache gut gemacht.“ 1954, zwei Jahre vor dem Tod von Curtius, schrieb Theodor W. Adorno einen anerkennenden Brief an Schottlaender. Aber ebensowenig wie Thomas Mann wollte er Curtius öffentlich widersprechen. "Es fällt mir nicht ein“, so Schottlaender später, "an der Lebensleistung Ernst Robert Curtius', insbesondere an seinem Verdienst um Proust, zu mäkeln. Nur daß eben auch er gelegentlich zum bösartigen Fachidioten werden konnte, scheint mir durch sein Vorgehen gegen meine Proust-Übersetzung erwiesen.“ -->

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